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EHEC – Enterohämorrhagische Escherichia coli

Ätiologie

Bei dem derzeit primär nachgewiesenen EHEC-Stamm handelt es sich um einen in der Vergangenheit nur selten als Krankheitserreger in Erscheinung getretenen Serotyp O104:H4. Offensichtlich ist dieser Stamm eine Kombination aus einem EAEC- und einem EHEC-Stamm. Er besitzt daher eine hohe Adhäsionsfähigkeit an der Damschleimhaut und ist zusätzlich in der Lage, ein zytotoxisches Shigatoxin (Stx2) zu produzieren. Außerdem weist der aktuelle Stamm diverse Antibiotika-Resistenzen auf.

Übertragung

Bis heute sind die Infektionswege des aktuellen Ausbruchgeschehens in Norddeutschland nicht eindeutig geklärt. Nachdem die anfänglich verdächtigten Gurken, Tomaten und Salat wieder freigesprochen wurden, lastet nun der Hauptverdacht auf kontaminierten Sprossen. Außerdem wird eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch über Schmierinfektionen diskutiert.

Pathogenese

Neben der direkten Toxinwirkung sind vermutlich auch Immunkomplexe an der Pathogenese beteiligt.

Enterohaemorrhagische-Escherichia-coli EHEC

Situation in Deutschland

Mit derzeit seit Mai deisen Jahres insgesamt über 3.000 gemeldeten (Verdachts-)Fällen (ca. 2.500 EHEC, fast 800 HUS) handelt es sich um den bislang größten Ausbruch in Deutschland und einen der größten weltweit. Dabei ist fast ausschließlich die nördliche Hälfte Deutschlands betroffen, mit einer besonderen Häufung in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen.
Auch in der Vergangenheit traten durchaus immer wieder EHEC-Infektionen in Deutschland auf. Mit ca. 1.000 gemeldeten Erkrankungen und ca. 60 HUS (v. a. bei Kindern) pro Jahr lagen die Fallzahlen allerdings deutlich niedriger als in diesem Jahr.

Indikationen für die Untersuchung auf EHEC

(lt. S1-Leitlinie der DEGAM vom 1. Juni 2011)
Eine sofortige Klinikeinweisung ist laut der DEGAM bei Durchfall mit sichtbarem Blut im Stuhl sowie mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erforderlich: Nierenfunktionsstörung, hämolytische Anämie und/oder Thrombopenie.

Eine Stuhluntersuchung auf EHEC wird empfohlen bei:

  • nicht eindeutiger Klinik
  • alleinigem Durchfall mit sichtbarem Blut im Stuhl
  • Patient/inn/en, die direkt mit Lebensmitteln arbeiten
  • Patient/inn/en , die Kontakt mit HUS-Kranken hatten
  • Kindern, die unter akuter Niereninsuffizienz leiden

Neben den beschriebenen Methoden zur EHEC-Analytik, hat das Konsiliarlabor für HUS am Institut für Hygiene des Universitätsklinikums Münster ein Protokoll für den molekularbiologischen Nachweis von vier Genmarkern zum spezifischen Nachweis des aktuellen Ausbruchstammes mittels PCR entwickelt. Damit ist ein Direktnachweis aus Stuhl sowie Lebensmitteln möglich. Diese Diagnostik wurde auch bei der Labor L+S AG etabliert.

Therapie

Leider gibt es im Verglich zu 1996 keine wesentlichen neuen Erkenntnisse zur Therapie von EHEC-Infektionen. So bleibt es bei symptomatischen Maßnahmen wie dem Flüssigkeitsersatz. Bei HUS wird zudem eine Blutwäsche durchgeführt. In einigen HUS-Fällen konnte eine deutliche klinische Besserung durch den Einsatz eines monoklonalen C5-Komplement-Antikörpers (Eculizumab) erzielt werden.
Wie schon 1996 erwähnt, könnten möglicherweise bindungsaktive Substanzen zu Erreger- bzw. Toxinbindung wie Heilerde, Bolus alba oder (Kaffee-)Kohle Linderung bringen. Doch hier fehlen – wie von 15 Jahren – leider die Erfahrungen. Das gilt auch für die von Prof. Guggenbichler, Emeritus der Universitätskinderklinik Erlangen, aktuell in der Ärztezeitung wieder empfohlene Kartoffelsuppe nach Moro (500 g geschälte Karotten in einem Liter Wasser eine Stunde kochen, dann durch eine Sieb drücken oder im Mixer pürieren, mit gekochtem Wasser wieder auf einen Liter auffüllen und drei Gramm Kochsalz zugeben). Darin entstehen beim Kochen Oligogalakturonide. Diese fungieren als Analoga zu Rezeptoren des Darmepithels und können sich offensichtlich die Erregeradhäsion, möglicherweise auch von EHEC, im Darm verhindern.
Auch über den – bei anderen Daminfektonen recht erfolgreichen – Einsatz von Probiotika in der EHEC-Therapie gibt es bislang keine belastbaren Daten.

Prophylaxe

Wie schon 1996, gelten v. a. Hygienemaßnahmen zu EHEC-Infektionsprophylaxe. Aktuell wird zudem vom Verzehr roher Sprossen als hauptverdächtige Infektionsquelle abgeraten.
Da auch eine stabile Darmflora im gewissen Maße vor Darminfektionen schützen kann, erscheinen probiotische Maßnahmen zu Vorbeugung durchaus sinnvoll. Entsprechende Erfahrungen bzw. Daten in Bezug auf EHEC fehlen jedoch bislang.

Meldepflicht

Das in der Publikation erwähnte Bundesseuchengesetz wurde zwischenzeitlich durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) ersetzt. Danach gilt:
Grundsätzlich ist der Verdacht bzw. die Erkrankung an einer Lebensmittelinfektion nach § 6 IfSG durch den/die Behandler/in namentlich meldepflichtig, wenn eine Person betroffen ist, die in der Lebensmittelverarbeitung tätig ist oder zwei oder mehr Personen betroffen sind, bei denen ein epidemischer Zusammenhang vermutet wird. Der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an HUS muss immer namentlich gemeldet werden.
Außerdem sind Labore gemäß § 7 IfSG zur namentlichen Meldung eines EHEC-Nachweises verpflichtet, soweit dieser auf eine akute Infektion hinweist.

Quellenauswahl

  • DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin)KOCHEN MM; SCHERER M (2011) | S1-Leitlinie EHEC/HUS
  • Complement Blockade in Severe Shiga-Toxin-Associated HUS.New Engl. J. Med. online 25.05.11
  • Verbrauchertipps: Schutz vor Infektionen mit enterohämorrhagischen E. Coli (EHEC). Information des BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung)WICHMANN-SCHAUER H; BEUTIN L (2011):
  • Informationen zum EHEC/HUS-Ausbruchsgeschehen 🔗Robert Koch-Institut, 13.06.2011
  • Zur aktuellen Häufung von EHEC-Infektionen und HUS-Fällen in Deutschland.Epidem. Bull. 21 (30.05.2011) Suppl.
  • Laborinformation zum EHEC-Ausbruchstamm.Konsiliarlabor für Hämolytisch-Urämisches Syndrom (HUS) am Institut für Hygiene. Universitätsklinikum Münster, 30.05.2011
  • EHEC und Antibiotikabehandlung.DGI (Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e. V.), 01.06.2011

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