Endometriose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, bei der Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut in Aufbau und Funktion gleicht, außerhalb der Gebärmutterhöhle wächst. Diese ektopischen Zellnester reagieren zyklisch auf Hormone, setzen Entzündungsmediatoren frei und können so starke Schmerzen sowie vielfältige systemische Beschwerden verursachen.
Symptome
Das führende Symptom sind anhaltende oder zyklisch verstärkte Beckenschmerzen. Weltweit sind 5 – 10 % aller Frauen im reproduktiven Alter betroffen, womit Endometriose die häufigste Ursache weiblicher Unterbauchschmerzen ist. Die Schmerzlokalisation reicht von tiefen ISG-Beschwerden über Lumbalgien im Segment L1 – S1 bis hin zu neuralgieähnlichen Schulterschmerzen, die durch Reizung des Plexus brachialis entstehen können. Typische Begleiterscheinungen sind Dysmenorrhoe, azyklische Unterbauchschmerzen, Dysurie, schmerzhaftes Defäkieren, chronische Müdigkeit und – infolge neuroendokriner Dysbalancen – Stimmungsschwankungen bis hin zu Major-Depressionen. Selbst Herzrhythmusstörungen wurden im Krankheitsverlauf beschrieben.

Typische Lokalisationen
Ektopisches Endometrium siedelt bevorzugt an peritonealen Oberflächen des kleinen Beckens. Häufig betroffen sind Ovarien, Tuben, Uterosakralbänder, Zervix, Blase, Vagina, vordere Bauchwand und verschiedene Abschnitte des Gastrointestinaltrakts. In Einzelfällen wurden Herde in Milz, Pleura, Perikard oder sogar im zentralen Nervensystem nachgewiesen.
Ätiologische Konzepte und die Rolle von Fusobacterium nucleatum
Die Pathogenese gilt als multifaktoriell. Neben retrograder Menstruation und genetischer Prädisposition rückt die Genitalmikrobiota immer stärker in den Fokus. Studien in Science Translational Medicine konnten Fusobacterium nucleatum (F. nucleatum) in Uterusbiopsien von Patientinnen mit Endometriose nachweisen. In vitro führte die Infektion endometrialer Stromazellen zu einem kräftigen Anstieg des Zytokins Transforming Growth Factor β (TGF-β). Das aktiviert zuvor stationäre Stromafibroblasten, die einen migratorischen Phänotyp annehmen – eine Voraussetzung für das Auswandern endometroider Zellen.
Fusobacterium nucleatum – Eigenschaften und Pathogenität
F. nucleatum ist ein fusiformes, gramnegatives Anaerobier, das vorrangig die orale Flora besiedelt, aber auch im Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt vorkommt. In gesunden Biozönosen verhält es sich kommensal; bei Dysbiose wird es mit Parodontitis, kolorektalem Karzinom und möglicherweise oralen Plattenepithelkarzinomen in Verbindung gebracht. Zudem wurden Zusammenhänge mit Plazentainfektionen, Chorioamnionitis und Frühgeburten beschrieben.
Transforming Growth Factor β
TGF-β ist ein pleiotroper Wachstums- und Differenzierungsfaktor, der Zellzyklus, Apoptose, Immunantwort und Gewebeumbau reguliert. Bei Endometriose fördert er die Epithel-zu-Mesenchym-Transition endometraler Zellen, ermöglicht Invasion in umliegende Gewebe und unterdrückt immunologische Abwehrmechanismen, wodurch ektopische Herde der Elimination entgehen.
Verbindung zwischen Endometriose, F. nucleatum und TGF-β
In Kohortenstudien wurde das Bakterium bei 64 % der Endometriose-Patientinnen nachgewiesen, verglichen mit < 10 % in Kontrollgruppen. Das gleichzeitige Auftreten erhöhter TGF-β-Spiegel legt nahe, dass F. nucleatum über proinflammatorische Signalwege sowohl Entstehung als auch Persistenz endometriotischer Läsionen unterstützt und damit als potenzieller Biomarker dienen könnte.
Evidenz aus Tiermodellen
Wird F. nucleatum in ein Endometriose-Mausmodell inoculiert, bilden die Tiere deutlich mehr und größere ektopische Herde, begleitet von einer Zunahme TAGLN-positiver Myofibroblasten als Marker stromaler Aktivierung. Eine anschließend verabreichte antibiotische Therapie, die gezielt gegen F. nucleatum gerichtet war, verzögerte die Entstehung neuer Herde und reduzierte Anzahl sowie Gewicht bestehender Läsionen erheblich.
Diagnostik
Die Diagnose basiert auf Anamnese, klinischem Befund und Bildgebung. Transvaginaler Ultraschall und MRT liefern wichtige Hinweise, während die Laparoskopie mit histologischem Nachweis weiterhin als Goldstandard gilt. Nicht-invasive Tests, die auf mikrobieller Zusammensetzung oder Zytokinprofilen basieren, befinden sich in Entwicklung und könnten künftig frühere Diagnosen ermöglichen.
Mikrobielle Virulenzfaktoren
F. nucleatum besitzt Adhäsine wie FadA, die an E-Cadherin binden, Zell-zu-Zell-Junctions öffnen und so eine bakterielle Invasion begünstigen. Darüber hinaus aktiviert das Bakterium NF-κB-abhängige Signalwege, was die Freisetzung weiterer proinflammatorischer Zytokine steigert.
Therapeutische Implikationen
Die präklinischen Erkenntnisse eröffnen neue Behandlungsansätze. Neben klassischen Antibiotika werden Antisense-Oligonukleotide entwickelt, die essenzielle Gene von F. nucleatum blockieren. Damit könnte sich ein Regime etablieren, das der erfolgreichen Triple- bzw. Quadrupel-Therapie gegen Helicobacter pylori ähnelt.
Komplementäre Strategien
Ein rein antimikrobieller Ansatz reicht vermutlich nicht aus. Multimodale Konzepte, die antiinfektiöse, entzündungshemmende, hormonregulierende und immunmodulierende Maßnahmen verknüpfen, gewinnen an Bedeutung. Therapien, die explizit erhöhte TGF-β-Spiegel dämpfen – etwa mittels monoklonaler Antikörper oder kleiner Molekülinhibitoren – könnten langfristig Schmerzen und Progression reduzieren.
Ausblick
Die Erkenntnis, dass die uterine Mikrobiota – insbesondere F. nucleatum – maßgeblich zur Pathogenese der Endometriose beitragen kann, markiert einen Paradigmenwechsel in Forschung und klinischer Praxis. Zukünftige Studien müssen klären, in welchem Ausmaß die gezielte Eradikation des Bakteriums die Krankheitslast senkt und welche Patientinnengruppen am stärksten profitieren.